Auf Spurensuche
Biografisches Schreiben – Erinnerungen weitergeben, sich mit dem eigenen Lebensweg auseinandersetzen
Erinnerungen an Angehörige und enge Freundinnen und Freude weitergeben – das ist für viele Menschen ein wichtiges Anliegen, wenn sie ein gewisses Alter erreicht haben. Eine dafür hervorragend geeignete Methode, die seit einiger Zeit immer mehr an Beliebtheit gewinnt, ist das sogenannte biografische Schreiben. Doch worum handelt es sich dabei eigentlich genau? Und: Benötigt man dafür besondere Fähigkeiten?
Biografisches Schreiben – interessant und reizvoll in jedem Alter
Beim biografischen Schreiben geht es darum, wichtige oder prägende Dinge und Begebenheiten aus dem eigenen Leben schriftlich festzuhalten. In der Palliativtherapie wird dieses Konzept zum Beispiel eingesetzt, um Menschen, die am Ende ihres Weges angekommen sind, Gelegenheit zu geben, das, was sie das Leben gelehrt hat, an ihnen nahestehende Personen – Kinder, Enkelinnen oder Enkel – weiterzugeben.
Natürlich spricht auch nichts dagegen, es mit dem biografischen Schreiben bereits dann zu versuchen, wenn man sich gesund und in der Blüte des Lebens fühlt. Und es ist keineswegs Bedingung, sich dabei an Familienangehörige oder andere Personen zu wenden. Viele Menschen nutzen Techniken des biografischen Schreibens, um auf einzelne Lebensabschnitte zurückzublicken oder auch als Unterstützung bei der Spurensuche: Welche Spuren hat das Leben bei mir hinterlassen – welche Spuren habe ich im Leben anderer hinterlassen? Und sehr oft gewinnen sie dadurch wichtige Einsichten und Erkenntnisse.
Die eigene Ausdrucksform wählen
Das Schöne am biografischen Schreiben: Es gibt keine festgelegten Regeln, die man auf jeden Fall beachten muss. Und Sie sind keineswegs nur auf das geschriebene Wort beschränkt, sondern können Ihre Notizen ganz nach Ihren Vorstellungen um eingeklebte Fotos, Zeichnungen, Postkarten, Geburtsanzeigen, Konzertickets usw. ergänzen.
Und Sie können sich auch so kurzfassen oder so ausführlich werden, wie es Ihnen gefällt – schließlich sind es Ihre ureigenen und ganz persönlichen Aufzeichnungen: Warum sollten Sie sich dabei nach Vorschriften anderer richten? Ein paar Anregungen finden Sie hier.
Aller Anfang ist leicht: Tipps zum Einstieg ins biografische Schreiben
Auf der anderen Seite gibt es einige bewährte Techniken und Hilfestellungen, die Sie dabei unterstützen können, Ihre Gedanken und Erinnerungen besser zu strukturieren und anschaulicher und interessanter niederzulegen.
Der Proust’sche Fragebogen
Ende des 19. Jahrhunderts war es ein beliebtes Gesellschaftsspiel, einen nach dem französischen Schriftsteller Marcel Proust benannten Fragebogen zu beantworten. Der Reiz des Spiels ergab sich daraus, dass man die Fragen so beantworten konnte, wie man gerade Lust hatte: Aufrichtig oder betont unernst; kurz und knapp oder ausführlich; oder auch, um mit seinem Gegenüber ein bisschen zu flirten. Auch heute noch werden Prominente von Zeitungen oder Magazinen gebeten, diesen Fragebogen auszufüllen.
Und er kann eine nützliche Hilfe darstellen, wenn man es gerne einmal mit dem biografischen Schreiben versuchen möchte, sich aber ein wenig schwertut, den richtigen Einstieg zu finden. Probieren Sie’s aus und beantworten Sie für sich persönlich und in aller Ruhe den klassischen Proust’schen Fragebogen:
- Wo möchten Sie leben?
- Wie lautet Ihr Lebensmotto?
- Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück?
- Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?
- Was ist für Sie das größte Unglück?
- Wer sind Ihre liebsten Romanhelden?
- Wer ist Ihre Lieblingsgestalt in der Geschichte?
- Wer sind die Personen in der Wirklichkeit, die Sie am meisten bewundern?
- Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einer Frau am meisten?
- Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einem Mann am meisten?
- Was ist Ihre Lieblingstugend?
- Worin besteht Ihre Lieblingsbeschäftigung?
- Wer oder was hätten Sie gern sein mögen?
- Was sehen Sie als Ihr wesentliches Persönlichkeitsmerkmal an?
- Was schätzen Sie bei Ihren Freunden am meisten?
- Was war der größte Fehler Ihres Lebens?
- Worin besteht Ihr Traum vom Glück?
- Was wäre für Sie das größte Unglück?
- Was möchten Sie im Leben darstellen?
- Was verabscheuen Sie am meisten?
- Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen?
- Wie möchten Sie gern sterben?
Sie sehen: So einfach diese Fragen auch sein mögen, wenn man sich darauf einlässt, können sie eine ganze Menge Reflexionen und Gedanken auslösen. Und es kann auch durchaus spannend sein, sich mit dem Fragebogen mehrmals und in größeren Zeitabständen zu beschäftigen – und die jeweiligen Antworten zu vergleichen: Bei welchen Fragen sind sie gleichgeblieben; wo haben sich im Lauf der Zeit Ihre Antworten – und damit ja auch Ihre Ansichten und Einstellungen – geändert?
Unknown authorUnknown author, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons.
Der Schriftsteller Marcel Proust hat den nach ihm benannten Fragebogen zwar nicht erfunden, aber wiederholt beantwortet.
Journaling – der Weg zu sich selbst
Sehr beliebt gerade bei jüngeren Leuten ist heute das sogenannte Journaling als Form der Selbstreflexion. Journaling fußt auf einem in den frühen 1960er Jahren entwickelten therapeutischen Ansatz zur Verarbeitung von Traumata und seelischen Störungen. Im Kern geht es darum, sich durch regelmäßige tagebuchartige Eintragungen mehr Klarheit über die eigenen Wege und Ziele zu verschaffen – zum Beispiel, indem man möglichst knapp und spontan auf vorgegebene Fragen antwortet. Buch- und Versandhandel bieten eine große Auswahl vorbereiteter, gestalteter Bücher an, etwa das bekannte 6-Minuten-Tagebuch oder auch eine Vielzahl sogenannter Bullet Journals.
Eine andere Form des Journaling ist die Morgenseiten-Methode nach Julia Cameron. Dabei geht es darum, sich möglichst jeden Tag gleich nach dem Aufwachen etwa 20 bis 30 Minuten Zeit zu nehmen, um handschriftlich auf drei DIN-A4-Seiten zu Papier zu bringen, was einen gerade bewegt oder beschäftigt: Banales und Alltägliches, Sorgen und Ängste, Erinnerungen, Hoffnungen, Sehnsüchte, Erwartungen. Die einzige Regel: Wenn die drei Seiten geschrieben sind, legt man Papier und Stift beiseite und wendet sich anderen Dingen zu.
Die verschiedenen Journaling-Varianten sind durchaus als Einstieg in das biografische Schreiben geeignet. Kritisch ist allerdings zu sehen, dass sie mittlerweile auch sehr massiv als Lösungen zur Selbstoptimierung und Lebensbewältigung und zur Steigerung von Glücksempfinden und Zufriedenheit vermarktet werden.
Mama, Papa, Oma, Opa: Erzählt mal!
In vielfältiger Ausstattung und Aufmachung werden auch die sogenannten „Ausfüllbücher“ angeboten. Sie tragen Titel wie „Mama, erzähl mir von früher!“ oder „Opa, erzähl mir was aus deinem Leben!“ und laden anhand vorgegebener Fragen und Stichworte dazu ein, aus der eigenen Vergangenheit zu berichten – von Schulzeit und Ausbildung, von Erlebnissen und Erfahrungen, von der ersten Liebe, von glücklichen und traurigen Momenten und vielem mehr.
So ein „Erzähl mal!“-Buch ist also ein schönes Geschenk für Kinder und Enkelinnen und Enkel; erst recht, wenn es vielleicht noch mit alten Fotos ergänzt wurde. Der große Vorteil: Weil anhand der vorbereiteten Fragen bereits eine Art „Roter Faden“ vorgegeben ist, muss man sich als Erzählerin oder Erzähler nicht darum kümmern, ihn selbst zu spinnen. Nachteilig kann es sein, wenn für die Beantwortung einiger Fragen zu wenig Leerraum im Buch vorgesehen ist. Oder wenn Fragen gestellt werden, die für den eigenen Lebensweg völlig ohne Belang sind.
Klarer Fall, Ausfüllbücher und Fragebögen machen Spaß und können nützliche Hilfestellung bieten. So richtig beginnt biografisches Schreiben aber doch erst dann, wenn man sich Aufbau und Gestaltung der persönlichen Lebenserzählung selbst überlegt hat. Und auch da haben wir ein paar Tipps für Sie.
Handschriftlich oder per Computer?
Ob Sie Ihre Erinnerungen handschriftlich oder am Laptop verfassen wollen, ist eine Entscheidung, die Sie gründlich abwägen sollten.
- Persönlicher und authentischer ist es sicher allemal, wenn Sie das, was Sie erzählen wollen, per Hand zu Papier bringen – zum Beispiel in einem schön eingebundenen Blanko-Buch und mit einem hochwertigen Füllhalter. Und erst recht dann, wenn Sie über eine ausdrucksvolle Handschrift verfügen.
- Zeitgemäßer ist natürlich das Schreiben am Rechner; heute für viele Menschen wahrscheinlich die bevorzugte Form, erst recht bei längeren Texten. Auch eingescannte Fotos lassen sich einfach und komfortabel integrieren. Und: Sie können Ihre Erinnerungen jederzeit problemlos vervielfältigen, zum Beispiel, um sie gleich mehreren Empfängerinnen und Empfängern zukommen zu lassen. Sicher lassen sich auch lediglich als Unikat vorhandene, handschriftliche Aufzeichnungen kopieren – aber es gibt dann immer nur ein „Original“, alle anderen Exemplare sind bloß Kopien.
- Andererseits: Eine am Computer erstellte biografische Erzählung muss erst noch ansprechend gestaltet werden, zum Beispiel mit Hilfe einer Layout-Software. Dafür braucht man entsprechende Kenntnisse. Und der Ausdruck als Fotobuch geht schnell ins Geld, wenn man viel zu berichten hat.
Vorschreiben oder gleich „ins Reine“?
Diese Frage stellt sich natürlich nur dann, wenn Sie Ihre Erinnerungen handschriftlich abfassen wollen, denn am Rechner können Sie ja jederzeit ändern, was Ihnen noch nicht gefällt.
- Vorteil beim Vorschreiben: Sie können bei der Reinschrift immer noch an Formulierungen feilen. Allerdings ist der Prozess auf jeden Fall erheblich langwieriger.
- Wenn Sie gleich ins Reine schreiben, besteht ein gewisses Risiko, dass Sie sich auch mal verzetteln, von Ihrem Konzept abkommen oder sich hin und wieder ganz schlicht verschreiben.
Andererseits kann es durchaus den besonderen Charme ausmachen, wenn Passagen wieder ausgestrichen oder nachträglich zwischen den Zeilen noch etwas eingefügt worden ist.
Und Sie bewahren sich mehr Spontanität, wenn Sie nicht jedes Wort abwägen, sondern auch mal „einfach so drauf los“ schreiben – das wird man später auch beim Lesen spüren.
„Roter Faden“ oder lieber anekdotisch?
Auch bei diesem Punkt empfiehlt es sich, eine Entscheidung zu treffen, bevor man mit seinen Aufzeichnungen beginnt. Denn im Nachhinein sind Änderungen nur mit erheblichem Aufwand möglich.
- Beim „Rote-Faden“-Prinzip erstellen Sie vorab eine Art „Drehbuch“ für Ihre Erzählung, dem Sie dann bei der Niederschrift folgen. Sie können zum Beispiel chronologisch vorgehen, indem Sie mit Ihrer Kindheit beginnen, mit Schulzeit, Ausbildung und dem Start in den Beruf fortfahren und dann irgendwann in der Gegenwart landen. Wenn Sie Ihr Leben an vielen verschiedenen Orten verbracht haben, weil Sie und Ihre Familie so oft umgezogen sind, bietet es sich vielleicht an, ihre Erinnerungen entsprechend zu organisieren: „Meine Zeit in Hannover“; „Studium in Berlin“; „Aufregende Jahre in Portugal“ und so weiter.
Der Vorteil des „Roten Fadens“: Sowohl Sie selbst als auch Ihr(e) Leser können sich bequem daran lang hangeln und verlieren nicht die Orientierung. - Der Reiz des anekdotischen Erzählens besteht darin, dass Sie auch Dinge und Begebenheiten miteinander verknüpfen können, zwischen denen zeitlich oder räumlich vordergründig gar kein Zusammenhang zu bestehen scheint. Wenn Sie zum Beispiel im Rückblick feststellen, dass bestimmte Menschen in Ihrem Leben eine bedeutende Rolle gespielt haben, können Sie diese Personen in einen neuen Kontext bringen. Und Sie können, wie Sie gerade lustig sind, beim Schreiben zwischen Ereignissen und Zeiten hin und her springen. Das sorgt für unerwartete Wendungen und Überraschungsmomente beim Lesen – mit dem Risiko allerdings, dass Sie, wie man so sagt, vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen und womöglich selbst den Überblick verlieren.
- Vielleicht ein ganz guter Kompromiss: Entwerfen Sie vorab für Ihre Geschichte einen Plan – und erlauben Sie es sich, auch davon abzuweichen und hin und wieder eine hübsche Anekdote einzubauen.
- Und: Konzentrieren Sie sich auf einige ausgewählte Schwerpunkte und versuchen Sie erst gar nicht, Ihr gesamtes Leben nachzuerzählen. Denn sonst ergeht es Ihnen schnell wie Tristram Shandy.
Nehmen Sie sich Zeit!
Egal, ob Sie sich für ein „Ausfüllbuch“ entscheiden oder Ihre biografischen Aufzeichnungen ohne solche Hilfestellungen verfassen wollen: Lassen Sie sich Zeit dabei – einige Wochen und Monate mindestens, und warum eigentlich nicht auch ein Jahr oder sogar noch länger? Es drängelt Sie ja niemand, und je intensiver und gründlicher Sie sich mit Ihren Erinnerungen beschäftigen, desto plastischer und anschaulicher werden sie dann auch zu lesen sein – und desto mehr Freude und Anteilnahme bei der Empfängerin oder dem Empfänger auslösen.
Das kann ich nicht – ich bin doch kein Schriftsteller!
Doch, können Sie. Denn erstens geht es ja nicht darum, einen druckreifen Bestseller zu verfassen. Und zweitens bieten Volkshochschulen und andere Einrichtungen regelmäßig Kurse zum biografischen Schreiben und zur Erinnerungsarbeit an: Hier werden nicht nur viele praktische Tipps und Schreibfertigkeiten vermittelt; im Austausch mit anderen fällt es einem selbst oft leichter, das, was man gerne erzählen möchte, anschaulich zu formulieren.
Die Alternative: Biografisch schreiben lassen
Wenn Sie einerseits Lebenserinnerungen und Erfahrungen zum Beispiel an Ihre Nachkommen weitergeben möchten, sich aber andererseits außerstande sehen, diese selbst aufzuschreiben, haben Sie immer noch die Möglichkeit, sich die eigene Biografie von darauf spezialisierten Autorinnen oder Autoren erstellen zu lassen, zum Beispiel auf Basis ausführlicher Gespräche und Interviews.
Entsprechende Angebote sind im Internet leicht zu finden; allerdings gibt es darunter auch immer wieder weniger seriöse. Es empfiehlt sich also, vorsichtig zu sein und ein Honorar erst dann zu zahlen, wenn Sie mit dem Ergebnis zufrieden sind. Auch wenn Ihnen eine besonders hochwertige buchbinderische Verarbeitung des fertigen Manuskripts zum vermeintlich sensationell günstigen Preis angeboten wird, sollten bei Ihnen die Alarmglocken klingeln.
Meine Geschichte
Auf wie unterschiedliche Weise man das Thema biografisches Schreiben angehen kann, zeigen die folgenden Beispiele. Sie sind authentisch, lediglich die Namen wurden geändert.
Ich und Madonna
Schon als Jung-Teenie war ich ein Riesen-Fan der amerikanischen Sängerin Madonna und diese Begeisterung hält bis heute an. Als ich mit dem Erinnerungsbuch für meine Tochter anfing, wollte ich ihr natürlich auch von meinem ersten Freund erzählen. Aber wann war das bloß? Auf einmal wusste ich es wieder ganz genau: Ich lernte Klausi in dem Jahr kennen, als Madonnas Hit „Like a Prayer“ rauskam – 1989 also. Da wurde mir klar, dass Madonna und ich praktisch mein gesamtes Leben zusammen verbracht haben. Und ich beschloss, auch meine Aufzeichnungen danach auszurichten. Als Madonna von Michael Jackson bei der Oscar-Verleihung begleitet wurde, war ich als Au Pair in Paris, nämlich im Frühjahr 1991. Und meine Tochter kam zur Welt, als Madonna in der Rolle der Verity für den James-Bond-Film „Stirb an einem anderen Tag“ vor der Kamera stand, das war demnach 2002. Auf diese Weise von früher zu erzählen, hat mir großen Spaß gemacht. Und meine Tochter hat sich über das Buch sehr, sehr gefreut.
– Stefanie (48)
Keine Option
Einer meiner Lieblingslehrer am Gymnasium war schon in jungen Jahren an einer schweren Form von Muskellähmung erkrankt, in deren Folge er in der letzten Phase seines Lebens praktisch vollständig bewegungsunfähig war und auch nicht mehr sprechen konnte. Lediglich über seinen rechten Fuß hatte er noch ein wenig Kontrolle. Mit dieser letzten ihm verbliebenen Möglichkeit und der Hilfe einer eigens für ihn entwickelten elektronischen Tastatur gelang es Dr. Mahnke, seine umfassenden Erinnerungen und seine Einschätzungen zum Politikbetrieb in Deutschland niederzuschreiben – über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren.
Nachdem mein ehemaliger Lehrer Mitte der 1980er Jahre verstorben war, ließ sein Sohn, mit dem ich gut befreundet bin, diese Erinnerungen als Privatdruck binden und schenkte mir ein Exemplar. Das ich bis heute hoch in Ehren halte, weil ich daraus mein persönliches Lebensmotto gezogen habe: Aufgeben ist keine Option.
– Thomas (63)
Abgeschlossene Geschichte
Nahezu mein gesamtes Berufsleben war ich als OP-Pfleger in einem Kreiskrankenhaus in Norddeutschland tätig. Als ich vor einiger Zeit in Rente ging, entstand der Plan, eine Art Erinnerungsbuch für meine Kolleginnen und Kollegen zu verfassen, mit denen ich mich gut verstanden und viele Jahre lang zusammen gearbeitet hatte. In dieser Zeit hatten wir viele schöne und intensive, aber auch schwere und traurige Erlebnisse und Situationen miteinander geteilt, was mir auch heute noch viel bedeutet.
Aber schon nach den ersten Schreib-Anläufen wurde mir klar, dass mein Plan nicht funktionieren würde. Denn für mich war das Kapitel Arbeitsleben nunmehr abgeschlossen, während für meine ehemaligen Kollegen der Beruf weiterhin zum Alltag gehörte. Die berufliche Gemeinsamkeit hatte ein Ende gefunden; meine Erinnerungen wären für die Kollegen „Schnee von gestern“, weil sie längst wieder mit ganz anderen, neuen Herausforderungen zu tun hatten.
Diese Erkenntnis war eine Weile ziemlich frustrierend. Bis ich den Entschluss fasste, mich mit meinen Erinnerungen nicht an meine Kollegen von damals zu wenden, sondern vielmehr an meine beiden Söhne, die ebenfalls in pflegerischen bzw. medizinischen Berufen tätig sind. Eine gute Entscheidung, wie ich heute weiß, denn sowohl Mark als auch Johann geben mir zu verstehen, dass meine „Geschichten aus dem OP“ für sie sehr interessant zu lesen sind.
– Friedhelm (66)
Bloß nicht wie Tristram Shandy!
Erdacht vom englischen Schriftsteller Laurence Sterne (1713–1768), gilt Tristram Shandy als eine der komischsten Figuren der Weltliteratur, eignet sich aber in keinerlei Hinsicht als Vorbild beim biografischen Schreiben. Denn immerhin umfassen „Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman“ stolze neun Bände mit jeweils rund vierzig Kapiteln.
Und erst zum Ende des dritten Bandes schafft es Ich-Erzähler Tristram Shandy, auf die Umstände seiner Geburt zu sprechen zu kommen; äußerst kunstvoll gelingt es dem Autor, seinen Helden sich in immer wieder neue Abschweifungen verheddern zu lassen und die Zeitebenen heillos zu verwirren.
Wenn Sie genügend Zeit und Geduld mitbringen, erwartet Sie mit Tristram Shandy ein großartiges Lesevergnügen; wenn Sie Ihre eigenen Erinnerungen und Ansichten zu Papier bringen wollen, wissen Sie dank des umständlichen Gentleman, wie Sie dabei besser nicht zu Werke gehen sollten.
Martin Rowson, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Der britische Zeichner und Illustrator Martin Rowson hat „Tristram Shandy“ als Graphic Novel adaptiert.