Weihnachten in Trauer: 5 Familien teilen ihre Erfahrungen
Man muss seinen eigenen Weg finden
Fünf Familien berichten von ihrem ersten Weihnachten nach einem schmerzlichen Verlust
„Ich will über die Feiertage nicht allein sein“
Almut (45) steht vor ihrem ersten Weihnachten als Witwe
„Manchmal stehe ich morgens auf und denke immer noch, Thomas kommt gleich mit der Zeitung und dem Frühstück ins Schlafzimmer“, erzählt Almut leise. Ihr Mann starb im September bei einem Verkehrsunfall. Erst im Sommer waren sie gemeinsam nach Hannover gezogen. „Wir hatten so viele Pläne. Endlich ein Haus mit Garten, neue Stadt, neues Leben.“
Die Vorstellung, die Feiertage nun allein zu verbringen, macht ihr Angst. Durch ihre Yoga-Gruppe hat Almut von einem Treffen für Menschen in Trauer erfahren. „Ich war erst skeptisch, aber es tut gut, sich mit anderen auszutauschen.“
Für Heiligabend hat sie eine Einladung von ihrer Yoga-Lehrerin angenommen. Den ersten Weihnachtsfeiertag will sie bei einem Spaziergang am Maschsee verbringen – „Thomas und ich waren dort so gerne“ – und abends mit anderen aus der Trauergruppe zusammenkommen. „Niemand erwartet, dass es ein fröhliches Fest wird. Aber gemeinsam ist es leichter als allein.“
Wie feiert man Weihnachten ohne sein Kind?
Doris (39) und Malte (42) haben ihre zweijährige Tochter Meike verloren
„Letztes Jahr um diese Zeit hat Meike zum ersten Mal den Weihnachtsbaum entdeckt“, erinnert sich Doris. „Sie war völlig fasziniert von den Lichtern, hat immer wieder mit ihren kleinen Händen nach den glitzernden Kugeln gegriffen.“ Die Zweijährige starb vor einigen Monaten nach schwerer Krankheit.
„Anfangs wollten wir einfach weglaufen“, sagt Malte. Das Paar hatte sogar einen Flug nach Thailand gebucht, dann aber storniert: „Es hat sich einfach falsch angefühlt, wegzufahren.“
Stattdessen haben sie sich entschieden, Weihnachten bewusst anders zu gestalten. „Wir werden keinen großen Baum aufstellen, das wäre zu schmerzhaft. Aber wir haben eine kleine Ecke im Wohnzimmer mit Meikes Kuscheltieren und einer Lichterkette eingerichtet.“
An Heiligabend werden sie zu ihrem Grab gehen und es mit einem kleinen Stern schmücken. Den Rest der Feiertage verbringen sie bei Doris’ Schwester. „Sie haben uns völlig frei gestellt, wie lange wir bleiben. Diese Offenheit hilft sehr.“
Ein neuer Ort für neue Erinnerungen
Kerstin (56) und ihre Familie wagen einen Neuanfang
Zwei Jahre ist es her, dass Harald, Mittelpunkt der Weihnachtsfeste im Kreis der großen Familie, überraschend verstarb. „Papa hatte diese besondere Gabe, uns alle zusammenzubringen“ erzählt Kerstin. Für ihre Mutter Gisela waren die letzten beiden Weihnachtsfeste besonders schwer: „Sie wollte alles genauso machen wie früher, aber das ging natürlich nicht.“
In diesem Jahr wird alles anders: Die gesamte Familie – Kerstin und ihr Mann, ihre drei Geschwister mit Partnern und Partnerinnen, die fünf Enkelkinder und Mutter Gisela – hat ein großes Ferienhaus in Dänemark gemietet. „Die Idee kam von Wolfgang, meinem jüngsten Bruder. Er meinte, vielleicht wäre es gut, an einem Ort zu feiern, der nicht so mit Erinnerungen überfrachtet ist.“
Einige von Haralds Traditionen werden sie mitnehmen: „Sein spezieller Glühwein nach Geheimrezept wird natürlich gebraut, und die Enkelkinder werden wie immer seine Lieblings-Weihnachtsgeschichte vorgelesen bekommen.“ Kerstin ist zuversichtlich: „Papa hätte das gefallen. Er sagte immer: ‚Familie bedeutet, zusammen zu sein – egal wo.‘“
Ich musste lernen, dass auch neue Traditionen wertvoll sein können
Jana (34) über Weihnachten nach dem Verlust beider Eltern
„Das erste Weihnachten ohne meine Eltern fühlte sich so unwirklich an“, erinnert sich Jana. Ihre Mutter starb vor drei Jahren an Krebs, ihr Vater folgte nur sechs Monate später. „Auch wenn ich schon lange mit meinem Mann und unserer Tochter eigene Weihnachtsrituale hatte – der Besuch bei meinen Eltern am ersten Feiertag war immer etwas ganz Besonderes.“
Im ersten Jahr nach ihrem Tod versuchte die Familie, den Tag wie gewohnt zu gestalten. „Das war ein Fehler. Emma vermisste ihre Oma sehr. Und mir kamen die Tränen, als ich Mamas traditionellen Gänsebraten nachkochen wollte.“ In ihrer Trauergruppe lernte sie andere Menschen kennen, die Ähnliches durchgemacht hatten. „Sie haben mir gezeigt, dass man neue Wege finden kann, ohne die alten Erinnerungen zu verraten.“
Heute gestaltet die Familie die Feiertage bewusst anders: „Wir haben neue Rituale entwickelt. Emma und ich backen jetzt zusammen Plätzchen nach Omas Rezept, und dabei erzähle ich ihr Geschichten von früher. Das ist unsere Art, die Erinnerung lebendig zu halten.“
„Wir feiern jetzt auf unsere Art“
Michael (48) und seine Töchter Sarah (17) und Lisa (15) nach dem Tod der Mutter
„Meine Frau Karin war der Weihnachtsengel schlechthin“, erzählt Michael. Nach ihrem plötzlichen Tod vor zwei Jahren stand die Familie vor den Scherben ihrer Weihnachtstradition. Seine Töchter reagierten unterschiedlich: Während Lisa sich in die Weihnachtsvorbereitungen stürzte, „genauso wie Mama es gemacht hätte“, zog sich Sarah zunächst völlig zurück.
„Aber dann haben wir uns zusammengesetzt und darüber gesprochen, was jeder von uns wirklich braucht.“ Das Ergebnis: „Wir feiern jetzt auf unsere Art. Nicht perfekt, aber authentisch.“ Die Deko ist schlichter, das Essen einfacher. Sarah hat angefangen, selbst Kekse und Baumkuchen zu backen – „nicht so perfekt wie Mama, aber mit viel Liebe“. Und Lisa gestaltet jedes Jahr eine Fotocollage mit Bildern ihrer Mutter für den Weihnachtsbaum.
„Es wird nie mehr so sein wie früher“, sagt Michael. „Aber wir haben gelernt, dass man Traditionen wandeln kann, ohne die Erinnerungen zu verlieren.“
An Ihrer Seite
Unsere Erfahrung zeigt: Das erste Weihnachten in Trauer ist oft der schwerste Moment. Aber Sie müssen diesen Weg nicht allein gehen. Wenn Sie Unterstützung brauchen oder einfach jemanden zum Reden suchen, sind wir auch in der Vorweihnachtszeit für Sie da.